11 | Siegfried Kawerau 1886 - 1936
"O wie wird dir
vorgerechnet, daß du
zugelernt hast: früher
warst du noch Monarchist
und kirchentreu, jetzt bist
ein Abtrünniger - du
beschmutzest dein Nest,
deine Familie, dein
Vaterland, deine Religion
und gar deinen Stand -
pfui!"
Siegfried Kawerau, "Selbstbildnis"
In der Folge von traumatischen Fronterfahrungen
im Jahr 1915 überwindet der
Pädagoge Siegfried Kawerau nach und
nach seine national-konservative Prägung.
1916 als nicht mehr kriegsdienstfähig
entlassen und wieder pädagogisch
und wissenschaftlich tätig, fordert er die
Verbesserung der Bildungschancen von
Arbeitern, die gemeinsame Erziehung
von Mädchen und Jungen, die Gleichberechtigung
der Frau sowie die Trennung
von Staat und Kirche. 1919 tritt er
aus der evangelischen Kirche aus und
schließt sich der SPD an. Fortan setzt er sich für Völkerverständigung, Friedenspädagogik
und das Ziel einer "klassenlosen Gesellschaft" ein.
"Im Kampf gegen die
kirchliche Autorität, diesen
letzten Hort der alten
Gesellschaft, habe ich
gezeigt, wie die
Produktionsschule berufen
ist, der Kraftquell der
neuen Gesellschaft zu
werden ..."
Siegfried Kawerau, "Selbstbildnis"
Produktionsschulen verknüpften schulische und berufl iche Bildung eng miteinander. Sie entstanden ebenfalls im Rahmen der Schulreformbewegung der 1920er-Jahre.
Der Geschichtsunterricht bildet den Schwerpunkt seiner Reformbestrebungen. Er soll fortan
dazu beitragen, nationale Stereotypen und Feindbilder aufzudecken und zu überwinden.
Das erweist sich jedoch wegen der vielfach noch benutzten Schulbücher aus dem Kaiserreich
und der nationalistischen Einstellung vieler Geschichtslehrer als schwer durchsetzbar.
Seit Ostern 1927 wirkt er als Oberstudiendirektor am Köllnischen Gymnasium. Mit seinen
Ideen zur vergleichenden Schulbuchforschung ist er seiner Zeit voraus.
Produktionsschulen verknüpften schulische und berufl iche Bildung eng miteinander. Sie entstanden ebenfalls im Rahmen der Schulreformbewegung der 1920er-Jahre.
Aufgrund seiner vielfältigen reformpädagogischen und pazifistischen Aktivitäten ist er den Nationalsozialisten früh ein Dorn im Auge und wird bereits am 19. März 1933 in Stettin von der SA verhaftet, misshandelt und drei Monate festgehalten. 1936 stirbt er an den Spätfolgen der Haft. Seine Ideen zur Neugestaltung des Geschichtsunterrichts erleben in den 1970er-Jahren eine Renaissance.
Medien | |
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DSCN2043.jpg (2272x1704, 803 KByte) -- Das Gebäude des ehemaligen Köllnischen Gymnasiums, Wallstraße 43-48, Berlin-Mitte, das Siegfried Kawerau von 1927 bis 1933 leitet | |
IMG_7316.jpg (2592x1944, 2,7 MByte) -- Stolperstein zum Gedenken an Siegfried Kawerau vor seinem ehemaligen Wohnhaus am Bonhoefferufer 18 in Berlin-Charlottenburg |